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Wladimir Putin

Plötzlich zeigt sich Putin offen für Verhandlungen

Plötzlich zeigt sich Putin offen für Verhandlungen

Russlands Präsident Putin kann sich auf einmal Gespräche mit Kiew vorstellen – unter Bedingungen. Wie ernst ist das zu nehmen? Oder führt der Kremlchef etwas ganz anderes im Schilde?
30.07.2023, 16:3730.07.2023, 16:37
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Ein Artikel von
t-online

Die ukrainische Sommeroffensive kommt schleppender voran, als viele im Westen erhofft hatten. Langsam macht sich Skepsis breit, wie weit Kiew in russisch besetztes Gebiet tatsächlich vordringen kann. Bemerkenswerterweise ist die Tonlage im russischen Informationsraum etwas anders: Russische Militärblogger sprechen von einer angespannten Lage an mehreren Frontabschnitten – und warnen vor weiteren ukrainischen Durchbrüchen, etwa an der Saporischschja-Front.

Russian President Vladimir Putin delivers his speech prior to the main naval parade marking Russian Navy Day in St. Petersburg, Russia, Sunday, July 30, 2023. (Alexander Kazakov, Sputnik, Kremlin Pool ...
Putin beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg: Will der Kremlchef wirklich verhandeln?Bild: keystone

Und im Kreml? Wie die dortige Lageeinschätzung ist, lässt sich nur vermuten. Doch könnte die voraussichtlich monatelange ukrainische Grossoperation dem Kreml mehr Sorgen bereiten, als offiziell zugegeben wird. Dazu passt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin am Samstagabend überraschenderweise Friedensverhandlungen ins Spiel brachte.

Am Rande des Russland-Afrika-Gipfels in St. Petersburg sagte Putin auf einer nächtlichen Pressekonferenz, dass die Verhandlungsinitiative afrikanischer Staaten sowie der chinesische Vorschlag als Grundlage für Gespräche mit Kiew dienen könne. Berichten zufolge soll die afrikanische Initiative unter anderem einen russischen Truppenrückzug beinhalten, den Rücktransport russischer Atomwaffen aus Belarus sowie die Suspendierung des internationalen Haftbefehls gegen Putin und ein Ende der westlichen Sanktionen.

Burkina Faso's Capt. Ibrahim Traore, left, and Russian President Vladimir Putin shake hands before an official ceremony to welcome the leaders of delegations to the Russia Africa Summit in St. Pe ...
Putin beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg: Will der Kremlchef wirklich verhandeln?Bild: keystone

«Praktisch unmöglich umzusetzen»

Details des Plans sind nicht öffentlich. Der chinesische Vorschlag aus dem Frühjahr forderte ebenfalls einen russischen Truppenrückzug – ohne genau zu sagen bis wohin – im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen. Kiew sieht sowohl die afrikanische als auch die chinesische Initiative skeptisch. China gilt als enger Verbündeter Russlands im Ukraine-Krieg.

Kremlchef Putin sagte zugleich, dass ein Waffenstillstand «praktisch unmöglich umzusetzen» sei, solange die Ukraine weiter vorstosse. «Sie befindet sich in einer strategischen Offensive. Wie halten wir unser Feuer zurück, wenn sie auf uns vorrücken?» so der Präsident am Samstagabend zu Reportern. Tatsächlich hat die russische Armee zu keinem Zeitpunkt des Krieges ihr Feuer zurückgehalten: Neben dem ständigen Beschuss ukrainischer Truppen terrorisiert Russland seit Monaten ukrainische Städte mit Raketen- und Drohnenangriffen.

FILE - Ukrainian soldiers fire toward Russian position on the frontline in Zaporizhzhia region, Ukraine, Saturday, June 24, 2023. Battles are also raging along the southern front in Zaporizhzhia, wher ...
Ukrainischer Raketenwerfer in der Region Saporischschja: Die Ukraine kann an verschiedenen Orten offenbar Fortschritte verbuchen. Bild: keystone

Putin sagte weiter, dass Verhandlungen nur auf Basis einer «bilateralen Initiative» zustande kommen könnten, und meinte damit wohl, dass sich auch die Ukraine verhandlungsbereit zeigen müsse. Wie realistisch das derzeit ist, ist fraglich. Die Ukraine hat sich monatelang auf die jetzige Offensive vorbereitet und will nun möglichst viel russisch besetztes Territorium zurückerobern.

Putin will weitere Isolation verhindern

Die Positionen zwischen Kiew und Moskau sind seit Monaten verhärtet. Beide Seiten haben zuvor erklärt, dass sie ohne bestimmte Vorbedingungen nicht an den Verhandlungstisch kommen werden. Die Ukraine möchte, dass ihre Grenzen wie im Jahr 1991 wiederhergestellt werden, was der Kreml ablehnt. Moskau argumentiert stattdessen, dass Kiew die «neue territoriale Realität» seines Landes akzeptieren müsse, damit Verhandlungen stattfinden könnten.

Wie ernsthaft Putins Bereitschaft, mit der Ukraine zu verhandeln, tatsächlich ist, muss sich zeigen. Einiges spricht dafür, dass der russische Präsident sich nur nach aussen hin gesprächsbereit zeigt, um international nicht weiter isoliert zu werden.

Beim Russland-Afrika-Gipfel musste der Kremlchef auch Kritik afrikanischer Länder einstecken, weil Russland das Getreideabkommen mit der Ukraine aufgekündigt hatte. Auch kamen deutlicher weniger afrikanische Staatschef zu dem Treffen wie noch vor einem Jahr.

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quelle: epa / stringer
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89 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Posersalami
30.07.2023 16:49registriert September 2016
Worüber soll verhandelt werden? Russland kann doch einfach seine Truppen zurückziehen auf die Grenzen vor 2014 und der Krieg ist beendet.

Sobald das geschehen ist, kann über Reparationszahlungen usw. sprechen.
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Hänsel Thunberg
30.07.2023 16:53registriert August 2021
Die Linien wurden schon vor einiger Zeit abgesteckt. Rückzug auf anerkannte Grenze (dh Rückgabe Krim und Donbass an die Ukraine), Schäden wieder gut machen (Rohstoffe haben sie genug, um das zu finanzieren), Verantwortliche vor dem ICC in Den Haag. Solange Russland nicht dazu bereit ist, wird es keine Verhandlungslösung geben. Man könnte noch einen vierten Punkt nehmen; demilitarisierte Zone auf der russischen Seite.
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JBV
30.07.2023 17:02registriert September 2021
"Einiges spricht dafür, dass der russische Präsident sich nur nach aussen hin gesprächsbereit zeigt, um international nicht weiter isoliert zu werden."

Das denke ich auch. Eine aufrichtige Bereitschaft zu Verhandlungen wird vermutlich über diplomatische Kanäle signalisiert. Dies ist wohl eher Show für die Welt da draussen.
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